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Yoga gegen Rückenschmerzen?

Der herabschauende Hund, die Katze, der Baum, der Halbmond - beim Yoga wird der Rücken in zahlreichen Posen gefordert und gestärkt. Dass die Sportart gegen Rückenschmerzen hilft und vorbeugen kann, ist bekannt. Aber hilft Yoga ebenso gut wie Physiotherapie, deren Kosten in den meisten Fällen immerhin von Krankenkassen erstattet werden?


Ja, sagt ein Team von Forscherinnen und Forschern aus den USA. Die Wissenschaftler hatten 320 Menschen mit chronischen Schmerzen im unteren Rücken zufällig drei Gruppen zugeordnet: Die erste besuchte drei Monate lang einmal in der Woche Yogakurse, im Anschluss machten die Probanden damit neun Monate lang weiter oder praktizierten zu Hause auf der Matte. Die zweite Gruppe ging innerhalb von drei Monaten 15 mal zur Physiotherapie und führte die gelernten Übungen zu Hause fort. Die dritte Gruppe bekam lediglich ein Ratgeberbuch mit Selbsthilfetipps, ausserdem wurde den Teilnehmern regelmässig ein Newsletter zu dem Thema gemailt. Zu Beginn und nach drei Monaten mussten die Probanden in zwei standardisierten Fragenbögen angeben, wie stark ihre Schmerzen waren und unter welchen Einschränkungen sie litten. Ausserdem dokumentierten die Teilnehmer, ob und wie viele Schmerzmittel sie einnahmen, berichten die Forscher in der Fachzeitschrift «Annals of Internal Medicine».


Yoga: Platz 1, Physiotherapie: Platz 2, Buchtipps: Platz 3


Das Ergebnis: In der Yogagruppe nahmen die Rückenbeschwerden ebenso stark ab wie in der Physiotherapie-Gruppe. Auch 26 Wochen später hatten diese Teilnehmer noch messbar weniger Schmerzen und körperliche Einschränkungen als zu Beginn der Studie. Aber auch jene Probanden, die lediglich Informationsmaterial zum Rücken bekommen hatte, litten am Ende der Untersuchung weniger unter Schmerzen. Ein deutlicher Unterschied zeigte sich bei der Einnahme von Schmerzmitteln: Die Yoga- und Krankengymnastik-Probanden brauchten messbar weniger solche Arzneien als die Informationsgruppe. «Yoga scheint eine vernünftige Alternative zu sein, um chronische Schmerzen im unteren Rücken zu behandeln«, schlussfolgern die Autoren.


Höchstens 20 Prozent aller Rückenschmerzen sind diagnostisch erklärbar


Nun ist Yoga nicht gleich Yoga, und Rückenschmerzen sind nicht gleich Rückenschmerzen.

Tatsächlich sind die meisten Rückenschmerzen, nämlich 80 Prozent, »unspezifisch«, das heisst, die Schmerzen lassen sich mit normalen diagnostischen Verfahren nicht eindeutig einer Ursache, einem Defekt, einer Störung zuordnen. Nur 20 Prozent aller Rückenschmerzen verdienen die Bezeichnung »spezifisch«: Neben seltenen Ursachen - wie etwa Tumore oder besondere entzündliche Erkrankungen - gehören hierher vor allem die »radikulären« Schmerzen: Durch den Druck einer geschädigten Bandscheibe (durch deren Vorwölbung (»Protrusio«) oder Vorfall (»Prolaps«) auf die Wurzel (Radix) eines Nerven (z.B. denIschiasnerv) entsteht ein in das Bein ziehender Schmerz . Aber nicht alle Schmerzen, die ins Bein ziehen, sind wiederum einer geschädigten Bandscheibe geschuldet. Nur, wenn eine nachgewiesene Bandscheibenläsion auch in den dazugehörigen Hautarealen zu Missempfindungen oder Schmerzen führt, ist die Wahrscheinlichkeit sehr gross, dass diese Störung auch tatsächlich Ursache für die entsprechenden Schmerzen ist. Erst dann handelt es sich um einen »spezifischen Rückenschmerz«. Zu diesen »spezifischen«, also diagnostizierbaren Rückenschmerzen sind auch noch so schwerwiegende Ursachen mit eingeschlossen wie zum Beispiel ein Tumor, verschiedene rheumatische und stoffwechselbedingte Erkrankungen.


8 von 10 Schweizern haben Rückenschmerzen


In der Schweiz haben 8 von 10 Menschen mindestens einmal im Leben Rückenschmerzen. Es sind nach der Erkältung die häufigste Gesundheitsstörung der Menschheit, sagt Professor PD Dr. Hans-Rudolf Zwisler von der Universittsklinik für Rheumatlogie, Klinische Immunologie und Allergologie in Bern. Er schreibt: «Kreuzschmerzen sind ein häufiges Problem und selten Ausdruck einer schweren Erkrankung.Meistens gehen die Beschwerden zurück indem Betroffene aktiv bleiben und für starke Schmeren einfache Schmerzmittel einnehmen.Kreuzschmerzen verschwinden in Hälfte der Fälle innerhalb von 1-2 Wochen; innerhalb von 8 Wochen werden 90% der Betroffenen beschwerdefrei.»


Der Schmerz entsteht dem Robert Koch-Institut (RKI) zufolge bei einem Grossteil der Rückengeplagten (etwa 85 Prozent) jedoch nicht durch einen Schaden an der Wirbelsäule. Experten sehen als eine der wichtigsten Ursachen, dass viele Menschen hauptsächlich sitzen und zu wenig gehen, laufen, Rad fahren, schwimmen oder anderen Sport treiben – im Fachjargon Dekonditionierung genannt.

Neben dem Bewegungsmangel haben auch psychische Belastungen und insbeosndere Stress einen grossen Einfluss auf die Rückengesundheit. Hier könnte Yoga einen zusätzlichen Nutzen haben. Denn neben mehr Kraft und Flexibilität sollen die Übungen Körper, Geist und Seele in Einklang bringen - fast ausnahmslos gehört zu einer Yogastunde auch eine Meditation.


Entscheidend ist der Yogastil


Entscheidend dabei ist, welchen Yogastil man wählt. Intensive, sehr fordernde Stile wie Asthanga oder Bikram-Yoga, je nach alter auch Vinyasa und Iyengar sind sowohl für Anfänger als auch für Menschen ab 30, die wenig Sport machen, denkbar ungeeignet. Sie wurden ursprünglich in Indien für Kinder und Jugendliche entwickelt. Im Yoga ist die Kernbotschaft, dass nicht der Mensch an das Asana anpassen muss, sondern das Asana an den Menschen. Yoga sollte niemals überfordern, schaden oder einschränken! Und genau deshalb übt der Hatha Yoga immer zuerst dynamisch in die Asanas, und erst dann, wenn der Körper darauf vorbereitet ist, statisch. Das entspricht auch der Folgerund der Studienautoren: »Andere anstrengendere Yogastile wie Vinyâsa könnten für Rückenschmerzpatienten, die keine Erfahrung mit Yoga haben, möglicherweise nicht geeignet seien, so die Autoren. Sie folgern, dassdie in der Studie benutzte Art und Weise, Yoga zu unterrichten eine sichere und effektive Methode zur Behandlung von Rückenschmerzen darstellt.«


Natürlich ist Yoga keine Heilmethode für Rückenschmerz. Auch sollte der Fokus nicht nur auf der Asanapraxis liegen. Atemübungen und die Innenschau («svydhaya», «pratyahara») sind ebenso wertvoll. Unbestritten aus schulmedizinischer Sicht ist zudem, dass eine gute körperliche Kondition Rückfälle zwar nicht verhindern kann, aber zu rascherer Erholung führt. Rauchen hingegen erhöht laut Dr. Zwisler das Rückenschmerzrisiko, und Übergewicht verursacht die Kreuzschmerzen zwar nicht, verzögert jedoch deren Besserung.

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